Samstag, 13. April 2024

Mediatheken-Tipps (13. April 2024)

Jane B ...wie Birkin (Kaleidoskopisches Star-Porträt, 1988) In diesem bruchstückhaften Filmessay widmet sich Agnès Varda der Schauspielerin, Sängerin und Stilikone Jane Birkin: Als Birkin sich ihrem 40. Geburtstag näherte und davon eingeschüchtert war, wollte Varda sie durch dieses Projekt aufmuntern und ihr die Angst vorm Alter nehmen. Interviewschnipsel wechseln sich mit mimischen Vignetten ab, die Birkins Vielseitigkeit belegen. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 16. April 2024

Lions Love (... and Lies) (Semifiktionale Tragikomödie , 1969) Nouvelle-Vague-Filmemacherin Agnès Varda, mal wieder metafiktional: Innerhalb weniger Wochen unter halbdokumentarischen Bedingungen gedreht, blickt dieser größtenteils improvisierte Film auf die Traumfabrik Hollywood, eine avantgardistische Theaterszene, Liebe, Ruhm, Sex und Luxus. Mit dabei: Warhol-Muse Susan Hoffman, die Hair-Schöpfer James Rado und Gerome Ragni sowie Undergroundregisseurin Shirley Clarke und Jim Morrison. Dabei herausgekommen ist eine voller Flair steckende Zeitkapsel, ein Liebeslied an eine Kulturrevolution und auch ein Stückchen Abgesang auf eine Ära, die an sich selbst erstickte. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 16. April 2024

Straße der Versuchung (Film-noir-Klassiker, 1945) M-Regisseur Fritz Lang adaptiert das französische Theaterstück Die Hündin und schafft somit einen imposanten Klassiker des Film noir, dessen Atmosphäre im finalen Drittel fast schon in Richtung Grusel-Drama kippt: Kleinbürger-Spießertum knallt auf Künstler-Milieu, häusliche Gewalt und gewissenlosen Wohlstand. Mit von der Partie: Eine umwerfende Joan Bennett und eine derart verdichtete Erzählweise, dass der US-Zensur schwindlig wurde. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 27. April 2024

Ein ganz und gar verwahrlostes Mädchen - Ein Tag im Leben der Rita Rischak (Semifiktionale Dokumentation, 1977) Die ZDF-Mediathek kramt seit einiger Zeit Klassiker der Redaktion Das kleine Fernsehspiel hervor, und hat im Zuge dessen auch diese Vermischung aus Dokumentation und Scripted Drama aus dem Jahr 1977 wieder zu Tage gefördert: Regisseurin Jutta Brückner folgt der alleinerziehenden Mutter Rita, die in Interviews über ihre (zumeist negativen) Lebenserfahrungen und ihre bescheidenen Hoffnungen spricht, und in (ihrem Alltag entliehenen) Spielszenen ihren Tagesablauf nachahmt.
Gezeigt wird ein ungewöhnlicher Tag, da Rita sich aufgrund eines Diebstahls nicht an ihren Arbeitsplatz traut, woraufhin sie über Prostitution und die Tätigkeit für ein unseriöses Kreditunternehmen nachdenkt. Geschildert wird dies (dem Titel zum Trotz) betont vorwurfsfrei, aber mit Respekt gegenüber Rita und einem unaufdringlichen Blick für den gesamtgesellschaftlichen Kontext ihrer Lage. So sieht Scripted Reality aus, wenn sie nicht geschmacklos kalkuliert und ohne jegliches Geschick zusammengeschustert wird, um haufenweise Programmlücken im Privatfernsehen zu schließen. ZDF-Mediathek, abrufbar bis zum 27. April 2024

Das Millionenspiel (Satire, 1970) Das womöglich stärkste, definitiv aber das am längsten nachhallende Werk von TV-Ausnahmeautor Wolfgang Menge: Die Gesellschafts- und Medien-Satire Das Millionenspiel präsentiert sich als Staffelfinale einer gewissenlosen TV-Show, in der die gesamte Nation einen Freiwilligen jagen und töten darf. Sollte er das Studio lebend erreichen und eine letzte Prüfung überstehen, ist ihm das Preisgeld von einer Millionen Mark sicher. Bitterböse, stark gespielt (insbesondere von Dieter Thomas Heck als Moderator) und finster-versiert inszeniert. Die Werbeunterbrechungen sind ebenfalls satirisch-urkomisch, haben aber noch nicht ganz den Biss, den etwa Paul Verhoeven mit der Werbung in RoboCop beweisen sollte. Dennoch: Eine deutsche TV-Sternstunde und ein Glanzmoment im Menschenjagd-Filmgenre.ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 8. Juli 2024

Die gefährlichsten Bahnstrecken der Welt (Reportageserie, seit 2019)
Elf Jahre liegt das Ende von Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands nun schon zurück, vor fünf Jahren begann wiederum die Produktion einer Reportageserie, die trotz des Titels und des Themas "Eisenbahn" nichts weiter damit gemeinsam hat. Also lasst euch nicht abschrecken! In Die gefährlichsten Bahnstrecken der Welt geht es um heikle Zugstrecken, ihre gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Funktion und ihre teils schwindelerregende Historie. Eingefangen in starken, atmosphärischen Bildern und daher ebenso Augenschmaus wie lehrreicher Blick in andere Winkel der Welt. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 20. Juni 2024

Warum Mediatheken-Tipps? Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie, oder oder oder. Doch nicht nur, dass man da leicht den Überblick verlieren kann: Ich kenne einige Menschen, die den Mediatheken kaum oder gar keine Beachtung schenken. Mit dieser Artikelreihe möchte ich Orientierung bieten, ebenso wie Anreiz, sich vermehrt mit den Mediatheken zu befassen. Dazu gebe ich wöchentlich sechs Anschautipps.

Wieso sechs Tipps? Ich möchte, dass diese Artikelreihe händelbar bleibt. Für mich, damit ich sie neben meinen anderweitigen Verpflichtungen verfassen kann. Und für euch: Ich will euch nicht mit Anschautipps erschlagen. Sechs Tipps halte ich indes für umsetzbar: Selbst, wer alle Tipps ansprechend findet, kann sich täglich einen davon angucken, und hat dennoch bis zur nächsten Ausgabe der Reihe auch einen Tag "mediathekenfrei". 

Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.

Samstag, 6. April 2024

Mediatheken-Tipps (6. April 2024)

Zeit der Unschuld (Romantisches Kostümdrama, 1993) Eines der größten Rätsel des digitalen Filmdiskurses sind für mich lautstark gegen andere Filmschaffende oder einzelne Filmreihen wetternde Martin-Scorsese-Fans, die sich in ihrer berechtigten Passion für die Regielegende aber ausschließlich auf seine Gangsterfilme beziehen. Damit ignorieren sie doch den Großteil seiner Vita! Mit Zeit der Unschuld hat 3sat derzeit einen der Macho-unfreundlichsten Filme Scorseses im Portfolio: Ein mit Daniel Day-Lewis, Michelle Pfeiffer und Winona Ryder formidabel besetztes, schwelgerisches ausgestattetes Liebesdrama mit famosen Bildern des Kameramanns Michael Ballhaus und einer Vision von Liebe, die zwischen irrational-intensiv und scheu-codiert-kommuniziert changiert. 3sat-Mediathek, abrufbar bis zum 7. April 2024

Herzensbrecher (Komödie, 2010) Xavier Dolan, mal von seiner leichten Seite - hinter und vor der Kamera einer Liebes-, Freundschafts- und Eifersuchtskomödie: Marie (Monia Chokri) und Francis (Xavier Dolan) sind eng befreundet, verlieben sich jedoch auf einer Party in denselben Typen - und das, obwohl sie beide auch einiges an ihm zu kritteln haben. Jugendlich-peppiger Film über Leute, die sich in ihren frühen 20ern noch eine pubertäre Kopflosigkeit in Liebesdingen bewahrt haben (respektive noch darunter leiden) - mit großem Stilwillen eines jung-ungestümen Regisseurs. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 17. April 2024

I Killed My Mother (Autobiografisch angehauchtes Drama, 2009) Im Heimkino sind einige Xavier-Dolan-Filme leider schwer zu ergattern. Umso schöner, dass die ARD-Mediathek derzeit alten Fans Rewatches ermöglicht und Dolan-Neugierigen es leicht macht, quer in seine Vita einzusteigen. I Killed My Mother ist Dolans womöglich persönlichster Film: Er verfasste das Skript im Alter von nur 16 Jahren und verarbeitete darin seine Beziehung zu seiner Mutter. Das Ergebnis: Ein eindrucksvolles Coming-of-Age-Drama mit ein paar harsch reingrätschenden, charismatischen Passagen voller Humor. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 17. April 2024

The Painter and the Thief (Dokumentation, 2020) Eine fesselnde, unfassbar-wahre Geschichte über Kunst, Rechtsprechung, Reue, Vergebung und Einfühlungsvermögen: Die Malerin Barbora Kysilkova wird bestohlen. Einer der Täter wird gefasst, ist voller Reue. Die Malerin ist gerührt und will ihn malen. Es entsteht eine sonderbare Freundschaft, die aber nicht frei von dornigen Momenten ist. Ungeheuerlich starker Film, eine meiner liebsten Dokumentationen des Jahrhunderts. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 23. April 2024

Das Fest (Rabenschwarze Tragikomödie, 1998) Nicht Lars von Trier, sondern Thomas Vinterberg brachte Dogma 95 im Kino ins Rollen: Unter strengen (und oftmals gebrochenen) künstlerischen Gesetzen sollten pure, den Kunstschaffenden gehörende Filme entstehen. Dem auf dem ersten Blick doch was bitter-aufgesetzten Anklang der Dogma-95-Regeln zum Trotz eröffnete diese Bewegung mit einem finsterkomischen Film, der weniger nachdenklich ist, als unwohlig-fesselnde Erfahrung: Das Fest beginnt als Alltagssituation-Streitfilm über die sich anmaulenden Gästinnen und Gäste einer Familienfeier. Doch nach und nach kommen unschöne Wahrheiten ans Licht, die Vinterberg (wie er es generell so gut beherrscht) mit Respekt für das unbequeme Thema anfasst, und doch mit Galgenhumor versieht. Daher nicht zwingend geeignet für verletzte Seelen, auch wenn namhafte Größen im Bereich der Familienpsychologie dem Film attestieren, in seiner Darstellung erstaunlich akkurat zu sein. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 24. April 2024

Inside Llewyn Davis (Trockenkomisches Musikdrama, 2013) Herbstlich-spröder Einblick in eine turbulente Woche im Leben eines Folkmusikers (brillant: Oscar Isaac), der ein wenig vom Pech verfolgt ist, sich aber auch immer wieder selbst im Weg steht - ohne dass man ihn dafür hassen könnte. Ein Highlight im Schaffen der Coen-Brüder voller Ohrwürmer, Katzen-Content und dichter Atmosphäre. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 4. Mai 2024

Warum Mediatheken-Tipps? Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie, oder oder oder. Doch nicht nur, dass man da leicht den Überblick verlieren kann: Ich kenne einige Menschen, die den Mediatheken kaum oder gar keine Beachtung schenken. Mit dieser Artikelreihe möchte ich Orientierung bieten, ebenso wie Anreiz, sich vermehrt mit den Mediatheken zu befassen. Dazu gebe ich wöchentlich sechs Anschautipps.

Wieso sechs Tipps? Ich möchte, dass diese Artikelreihe händelbar bleibt. Für mich, damit ich sie neben meinen anderweitigen Verpflichtungen verfassen kann. Und für euch: Ich will euch nicht mit Anschautipps erschlagen. Sechs Tipps halte ich indes für umsetzbar: Selbst, wer alle Tipps ansprechend findet, kann sich täglich einen davon angucken, und hat dennoch bis zur nächsten Ausgabe der Reihe auch einen Tag "mediathekenfrei". 

Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.